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Auf der Suche nach Afroeuropäern: Eine Reise durch Black Europe

 

Eine Rezension von Jeannette Oholi (Jeannette.Oholi@gcsc.uni-giessen.de )

International Graduate Centre for the Study of Culture (Gießen)

 

Pitts, Johny: Afropean. Notes from Black Europe. London: Penguin Books, 2019. 416 Seiten, 20 GBP. ISBN: 978-0-14-198472-8.

 

Abstract

Der Fotograf, Schriftsteller und Blogger Johny Pitts macht sich in seinem Buch Afropean. Notes from Black Europe auf die Suche nach Afroeuropäern. Seine Reise führt ihn als Backpacker durch Europa in Städte wie Paris, Lissabon und Stockholm, in denen er Menschen begegnet, die afrikanisch und europäisch zugleich sind. Pitts Reisebericht enthält neben zahlreichen Schilderungen von Begegnungen und Beobachtungen auch Schwarz-Weiß-Fotografien, die den Alltag von Afroeuropäerinnen und Afroeuropäern zeigen. Der Autor macht afroeuropäische Identitäten durch das Zusammenspiel von Bericht und visuellen Eindrücken nicht nur sichtbar, sondern zeigt ihre Vielfalt und Dynamik als Teil von Europa. Außerdem setzt er Impulse für zukünftige Forschung mit Fokus auf grenzüberschreitende und transnationale Identitäten, die ein Teil von Europa sind und dieses mitgestalten.

 

Rezension 

„I was born black, working class and northern in Magaret Thatcher’s Britain“ (S. 11), beginnt der Prolog von Afropean. Notes from Black Europe. Ausgangspunkt seines Reiseberichts ist die Stadt Sheffield in Nordengland, in der Autor Johny Pitts aufgewachsen ist. Pitts beschreibt seine Kindheit in einem multikulturellen und multireligiösen Umfeld, in dem einerseits Armut und Gewalt herrschen, er jedoch auch mit einem Gemeinschaftssinn, Solidarität und gegenseitiger Toleranz aufwächst. Dieses Gefühl von Gemeinschaft hofft er, durch eine Reise auch in anderen europäischen Ländern, genauer gesagt innerhalb der afrikanischen Diaspora in Europa, wieder zu finden: „That’s why I was compelled to search for an energy beyond the love of the local and the aloof distance of the national and global. A liminal, translocal energy that ultimately provided communion with a wider black European diaspora […]“ (S. 16).

 

Afropean. Notes from Black Europe gliedert sich neben der Einleitung, dem Prolog und Epilog in acht Kapitel, die sich an Johny Pitts‘ Reiseroute orientieren. Schwarz-Weiß-Fotografien ergänzen die Beschreibungen des Autors und dienen als visuelle Eindrücke seiner Reise. Die „Afropean Odyssee“ (S. 373) führt ihn von Paris über Brüssel, Amsterdam, Berlin, Stockholm, Moskau, Marseille, die französische Riviera und Lissabon nach Gibraltar. Pitts schildert Begegnungen mit Menschen, die vom afrikanischen Kontinent nach Europa migriert sind oder der nachkommenden, in Europa geborenen Generation angehören. Dabei wird immer wieder deutlich, wie sich Black Europe einer Homogenisierung entzieht, da die individuellen Erfahrungen, Perspektiven und Geschichten vielfältig sind.

 

Eine große Stärke des Buches ist es, dass sich der Autor auf Situationen und Begegnungen einlässt, deren Entwicklung und Ausgang zunächst ungewiss sind. Auch verschließt Pitts die Augen nicht vor prekären Lebenswirklichkeiten, die ebenfalls Teil der afrikanischen Diaspora in Europa sind. So verbringt er Zeit in Stadtvierteln wie Clichy-sous-Bois (Paris) und Cova da Moura (Lissabon), die Touristen auf ihren Reisen meist nicht zu Gesicht bekommen, und lässt Menschen ihre Geschichten erzählen, die in Europa oftmals weder gehört noch gesehen werden.

 

Schade ist jedoch, dass sich Pitts‘ Reise vor allem auf Metropolen in Westeuropa zentriert. Eine Reise durch weniger große Städte wäre ebenfalls sehr interessant und würde noch mehr Perspektiven und Erfahrungen zugänglich machen. Auch ist zu bedauern, dass der Autor in Italien nur einen Zwischenstopp eingelegt hat und östliche Städte, bis auf Moskau, nicht bereiste. Darüber ist sich der Autor bewusst, betont jedoch auch, dass er seinen Reisebericht nur als einen Beitrag zu einem Gespräch über Black Europe sieht. So fordert er Leserinnen und Leser dazu auf, Erfahrungen jenseits seiner Reiseroute auf seinem Blog zu teilen, um das Gespräch weiter zu führen.

 

Seine Beobachtungen und Begegnungen unterfüttert Pitts mit geschichtspolitischen Informationen, wodurch der Eindruck entsteht, dass der Autor zum einen den spezifischen (kolonialhistorischen) Eigenheiten der einzelnen Länder beziehungsweise Städte Beachtung schenkt. Zum anderen zeigen sich jedoch auch Verbindungen und Gemeinsamkeiten, die die Frage aufwerfen, ob afropean beziehungsweise afroeuropäisch als kollektiver und transnationaler Identitätsentwurf nicht nur gelesen werden kann, sondern sogar bereits als solcher gelebt wird.

 

Afropean bezeichnet als einen Zusammenschluss des Präfixes afro und European einen Identitätsdiskurs, der individuelle Identitäten als transkulturell und grenzüberschreitend sieht. Afropean entzieht sich einer Homogenisierung und Generalisierung, da die Komplexität von afroeuropäischen Identitäten zentral ist. Johny Pitts sieht in afropean eine Selbstbezeichnung für Identitäten ohne Bindestrich, eine Möglichkeit, zur gleichen Zeit mehr als nur eine Idee zu leben und zu sein: „Africa and Europe, or, by extension, the Global South and the West, without being mixed-this, half-that or black-other. That being black in Europe didn’t necessarily mean being an immigrant.” (S. 1)

 

Neben der Bezeichnung afropean verwendet Johny Pitts auch den Begriff Afropéa. Letzterer stellt als französische Kurzform von Afro-Europe ein Raumkonzept dar, das als Begriff bereits in den 1990er Jahren verwendet worden ist. Der Autor nutzt in seinem Reisebericht afropean und Afropéa als Synonym: in beiden Begriffen sieht er einen dynamischen Raum in Europa. Dieser Raum ist für die Leserinnen und Leser von Afropean. Notes from Black Europe keinesfalls abstrakt. Johny Pitts zeigt in seinem Buch immer wieder, wie diese Räume durch Begegnungen entstehen und genutzt werden, Identitäten zu verhandeln sowie die eigenen Geschichten zu erzählen. Durch diesen Prozess entstehen neue Narrative und Black Europe wird als „equivocal and untidy lived experiences“ (S. 5) sichtbar – jenseits von Zuschreibungen und Kategorisierungen.

 

Johny Pitts Afropean. Notes from Black Europe ist auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr lesenswert. Der Autor gibt neue Impulse für Forschungen, indem er die Begriffe afropean und Afropéa in seinem Reisebericht miteinander verbindet, die in der Wissenschaft bisher meist getrennt voneinander betrachtet worden sind. Durch seine Rekurse auf Vertreter der Black European Studies wie Paul Gilroy schafft er es nicht nur, die Gegenwart Black Europes in Zusammenspiel mit der Vergangenheit zu betrachten, sondern zeigt eine Tradition der Black European Studies in Europa auf. Uneingeschränkt und selbstbewusst lenkt der Autor seinen Blick und jenen der Leserschaft auf afroeuropäische Identitäten und macht dabei das Potential von afroeuropäisch als (Selbst-) Bezeichnung sichtbar. Bisher spielen die Begriffe afropean und Afropéa in der Wissenschaft nur vereinzelt eine Rolle. Jedoch bieten sie für die wachsendenden Black European Studies die Möglichkeit der Theoriebildung, die dazu beitragen kann, dynamische Identitäten und Lebenswirklichkeiten in Europa beschreibbar zu machen.

 

English Abstract

In Search of Afropeans: A Journey Across Black Europe

In his book Afropean: Notes from Black Europe, the photographer, writer, and blogger Johny Pitts sets out in search of Afropeans. His journey takes him as a backpacker through Europe to cities such as Paris, Lisbon, and Stockholm, where he meets people who are African and European at the same time. Pitts’ travelogue contains numerous descriptions of encounters and observations as well as black-and-white photographs showing the everyday life of Afropeans. The author not only makes Afropean identities visible through the interplay of report and visual impressions, but also shows their diversity and dynamics as part of Europe. In addition, he provides impulses for future research with a focus on cross-border and transnational identities that are part of and shape Europe.

 

 

Copyright 2019, JEANNETTE OHOLI. Licensed to the public under Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0).