Return to Article Details Cultural Translation: A Practice-Based Approach to Looking at Transculturality in the Arts
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Kulturelle Übersetzung – ein Theorie-Konzept zur Neuperspektivierung transkultureller Kulturpraxis?

 

A Review by Eva Zimmermann (eva.zimmermann@gcsc.uni-giessen.de)

International Graduate Centre for the Study of Culture (Giessen)

 

Dätsch, Christiane (Hrsg.). Kulturelle Übersetzer: Kunst und Kulturmanagement im transkulturellen Kontext. Bielefeld: transcipt, 2018 (= Edition Kulturwissenschaft Band 103). 408 Seiten, 34,99 EUR. ISBN: 978-3-8376-3499-0.

 

Abstract

Kulturelle Übersetzer ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung von Kunst und Kulturmanagement mit dem Transkulturalitätsdiskurs. Der Sammelband bietet vielfältige Zugänge zum Konzept der kulturellen Übersetzung, das anhand von Beispielen aus einer interdisziplinären kulturellen Praxis beleuchtet wird. Anhand facettenreicher Lesarten der kulturellen Übersetzungspraxis in der deutschen Kulturszene gibt der Band eine mögliche Antwort auf die Forderung Doris Bachmann-Medicks, dass dem theoretischen Konzept der kulturellen Übersetzung die Anwendung „auf konkrete kulturelle Übersetzungsprozesse“ (Bachmann-Medick, „Nach der Hybridität“, S. 47) noch folgen müsse.


Review

Kulturelle Übersetzer – also Menschen und Institutionen, die ‚Kulturen übersetzen‘ und das, wie der Untertitel näher erklärt: in Kunst und Kulturmanagement im transkulturellen Kontext tun, stehen im Mittelpunkt des gleichnamigen Sammelbandes, der 2018 unter der Herausgeberschaft von Christiane Dätsch im transcript-Verlag in der Reihe Edition Kulturwissenschaft erschienen ist. Der  Band befasst sich mit einer Anwendung des Konzepts der kulturellen Übersetzung auf praktische künstlerische und kulturmanageriale Zusammenhänge im „deutschen Kulturbetrieb in einem transkulturellen Kontext“ (S. 10). Sein Ziel ist es, mit dem „Konzept eine Brücke zwischen Theorie und Praxis […] [zu] schlagen“ (ebd.). In dem Band sind vor allem Autor¬_innen versammelt, die der Ludwigsburger, der Lüneburger oder der Hildesheimer Schule des Kulturmanagements entstammen oder in der Kunst und Kulturmanagementpraxis im deutschsprachigen Raum verortet sind.


Die Beiträge teilen sich in sechs große Kapitel auf:  Der Kulturwissenschaftler Florian Mittelhammer leitet das erste große Kapitel „Welcher Kultur-, welcher Kunstbegriff?“ ein, indem er eine gut lesbare Operationalisierung der Begriffe  ‚Kultur‘ und ‚kulturelle Übersetzung‘ anbietet und wichtige Etappen des Forschungsstandes zu beiden Begriffen darlegt. Er unterscheidet zunächst zwischen normativem und deskriptivem Kulturbegriff und geht dann auf die Rezeptionslinie des Begriffs der kulturellen Übersetzung ein, die von Benjamins Aufgabe des Übersetzers über den Third Space bei Bhabha bis hin hin zu Bachmann-Medicks Plädoyer für Übersetzung als turn in den Kulturwissenschaften reicht (Doris Bachmann-Medick: „Nach der Hybridität: Travelling Concepts im Horizont von Übersetzung.“ In: Ottmar Ette/Uwe Wirth (Hrsg.): Nach der Hybridität. Zukünfte der Kulturtheorie. Berlin: Frey 2014, S. 37-54: hier S. 39). Mittelhammer steckt mit der Definition, kulturelles Übersetzen bedeute „(kreative) Transformation, Ausdifferenzierung, Schaffung neuen Sinns und neuer Differenzen insbesondere in lokalen Bezügen“ (S. 32), einen breiten Bewegungsrahmen für die folgenden praktischen Beispiele.


Im zweiten großen Kapitel geht es dann um die „transkulturelle Verflochtenheit künstlerischer Arbeit“ (S. 14) – dabei werden von den Autorinnen Christina Richter-Ibáñez, Buket Altinoba, Franziska Koch und Cathryn Bublatzky Künstler_innen vom Musikbetrieb über die Malerei (Osman Hamdi Bey), die Bildende Kunst/Medienkunst (Nam June Paik) hin zur Fotografie (Ravi Agarwal)  als kulturelle Übersetzer_innen identifiziert. Nach diesen ersten beiden Kapiteln steigt der 400 Seiten starke Band in drei Sektionen in große Themen wie die Überwindung eines Eurozentrismus bzw. die Überwindung neo-kolonialer Praktiken im Kapitel „Europa und die Welt: Postkoloniale Perspektiven“ ein. Er beleuchtet den Einfluss von Migration auf einen angenommenen deutschen Kanon im Kapitel „Einwanderungsland Deutschland: Wandel des Kanons?“ und die Veränderung kultureller Projekte durch das sujet der Flucht im Kapitel „Deutsche Willkommenskultur: Partizipation und Projekte“, bevor er im letzten Kapitel empirische Erkenntnisse zu Inter- und Transkulturalität im Kulturmanagement darlegt. Dieses letzte Kapitel macht den Anschein, als sei es statt einer abschließenden Zusammenfassung gesetzt worden, beinhaltet jedoch statt auf vorhergehende Kapitel zu referieren, noch einmal neue Ansätze und durch die Empirie auch noch einmal einen neuen Blick auf das Themenfeld. Kulturelle Übersetzer verbleibt daher ohne abschließendes Resümee.


Die Inhalte des Bandes sind – wie ein Blick in das Inhaltsverzeichnis bereits vermuten lässt – stark interdisziplinär und daher divers: ‚Kulturelle Übersetzung‘ wird in den unterschiedlichen Sektionen anhand einzelner Beispiele aus der Praxis erörtert. So geht Thomas Knubben am Beispiel des venezianischen Markusturms Fragestellungen zu architektonischen Nachbildungen als kulturellen Transfers nach.  Anette Bühler-Dietrich analysiert in ihrem Beitrag anhand der Auftragsproduktion Ombres d’espoir von Wilfried N’Sondé für das Festival africologne 2013, inwiefern Affekte kulturell übersetzbar sind.  Der Aufbau des Bandes gewährt anhand der Fälle aus unterschiedlichen Disziplinen einen vielfältigen Blick in das Spektrum transkultureller Kulturpraxis. Die Beispielhaftigkeit bleibt jedoch auch oft der einzige gemeinsame Ansatzpunkt der Beiträge. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis geht in den Beiträgen unterschiedlich weit und es werden den Einzelanalysen unterschiedliche Begriffe und eine unterschiedliche Bedeutsamkeit von ‚kultureller Übersetzung‘ zugrunde gelegt.


Im Beitrag von Birgit Mandel im Kapitel „Inter- oder transkulturell? Erkenntnisse des Kulturmanagements“ setzt die Autorin beispielsweise Praktiken internationalen Kulturmanagements mit den Begriffen der Inter- und Transkulturalität in Bezug. Diese beiden Begrifflichkeiten leiten den Beitrag. Der Terminus ‚kulturelle Übersetzung‘ bleibt dabei zunächst außen vor und wird am Ende des Beitrags zum selben Zeitpunkt und gleichbedeutend eingeführt wie der die Profession des/der Kulturvermittler_in. Mandels Umgang mit dem Begriff wirft hier eine wichtige Frage auf, die sich auch in anderen Zusammenhängen für das Konzept der ‚kulturellen Übersetzung‘ stellt: Inwieweit hat der Begriff der ‚kulturellen Übersetzung‘ einen Mehrwert für die Beschreibung eines Gegenstandes? Oder ist nicht, wie Mandel es hier implizit zeigt, in manchem Fall mit ‚Kulturvermittlung‘ (bzw. ‚Kulturtransfer‘ wie in Knubbens Beitrag) schon ein weniger metaphorischer Begriff für kulturmanageriale Aufgabenstellungen im internationalen Kontext gefunden? Leider wird der Band nicht durch ein Resümee abgeschlossen, in dem solche Fragen auf einer höheren Abstraktionsebene hätten beantwortet werden können. Die unterschiedlichen Zugänge zum Begriff der kulturellen Übersetzung können jedoch grundsätzlich als positiv empfunden werden, da theoretische Begriffskonzepte selten interpretative und methodische Eindeutigkeit besitzen – die facettenreichen Lesarten in Kulturelle Übersetzer machen dies deutlich.


Auch die Textgenres sind von Werkanalysen bis hin zu Gesprächsdokumentationen vielfältig. Insgesamt kann der Sammelband daher als niedrigschwelliger Reader über eine Praxis der kulturellen Übersetzung in Kunst und Kulturmanagement verstanden werden. Eine Leseempfehlung ist  daher besonders für diejenigen auszusprechen, denen es bei der Anwendung des Begriffs der ‚kulturellen Übersetzung‘ auf künstlerische bzw. kulturmanageriale Einzelprojekte eher um eine berufspraktische Auseinandersetzung mit dem Diskurs um Transkulturalität und Kulturtransfer und um vielfältige mögliche Begriffszugänge aus der Praxis geht als um ein rein am Konzept orientiertes, theoriegeleitetes Interesse. Denn eine weiterführende Sezierung des Übersetzungsbegriffs oder eine Rückführung auf eine theoretische Metaebene erfolgen am Ende des Bandes nicht. Die Zielgruppendefinition Kulturschaffende, Kulturmanager_innen und [praktisch orientierte – Anm. der Autorin] Kulturwissenschaftler_innen (vgl. S. 10) ist daher meines Erachtens nachvollziehbar. Die Lektüre des Bandes ist für diese Zielgruppe als durchaus gewinnbringend einzuschätzen.


English Abstract

Cultural translation: a practice-based approach to looking at transculturality in the arts

Kulturelle Übersetzer (eng.: Cultural Translators) is an edited volume published by transcript Verlag and edited by Christiane Dätsch. The contributions examine the concept of practice-based cultural translation, specifically within the German transcultural context of the arts and of arts management, and contribute to the larger discourse about transculturality within the arts. Both those working within the cultural sector as well as practice-oriented cultural studies scholars can benefit from the variety of cases and disciplines presented within the book.

 

 

Copyright 2020, EVA ZIMMERMANN. Licensed to the public under Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0).