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Mehr als bloß Schall: Klang als kulturelles Kommunikationsmittel

 

Eine Rezension von Florian Hantschel (florian.hantschel@musik.uni-giessen.de)

Justus-Liebig-Universtiät Gießen

 

Symanczyk, Anna; Wagner, Daniela und Miriam Wendling (Hg.): Klang – Kontakte. Kommunikation, Konstruktion und Kultur von Klängen. Berlin: Reimer, 2016. 240 Seiten, 29,90 EUR. ISBN: 978-3-496-01557-4.

  

Abstract

Der von Anna Symanczyk, Daniela Wagner und Miriam Wendling in der Schriftenreihe der Isa-Lohmann-Siems-Stiftung herausgegebene multidisziplinäre Sammelband Klang – Kontakte. Kommunikation, Konstruktion und Kultur von Klängen untersucht in 13 inhaltlich, methodisch und historisch sehr unterschiedlich verorteten Beiträgen besonders den vermittelnden Aspekt von Klängen in kulturellen Kommunikationsprozessen. Hierbei steht vornehmlich Transmedialität, d.h. die Transformation und Darstellung von Klängen in Sprache, Text und (Ab-)Bild im Zentrum des Forschungsinteresses. Als mehrheitlich geisteswissenschaftlich geprägt ergänzt dieser Band das im Vergleich zur (Psycho-) Akustik bisher noch verhältnismäßig junge Forschungsfeld der Klang- bzw. Sound Studies und bietet disziplinspezifische Anregungen.

 

 

Rezension

Aus dem Projekt Klang – Kontakte. Kommunikation, Konstruktion und Kultur von Klängen (2014-2015) der Isa-Lohmann-Siems-Stiftung und einem zugehörigen Symposium am 6. Februar 2015 im Warburg-Haus in Hamburg entstand der vorliegende Tagungsband. In den zwölf sehr unterschiedlichen Beiträgen aus den Disziplinen der Ethnologie, Kunstgeschichte, Kulturanthropologie, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Soziologie findet sich einerseits ein breites Spektrum an zum Einsatz kommender Methoden; andererseits offenbart sich eine vielfältige Schwerpunktsetzung von mittelalterlicher Musikpraxis über aktuelles Produktsounddesign bis hin zu methodischen Auseinandersetzungen mit Hörpraktiken im gegenwärtigen Wissenschaftssystem, sodass die Publikation insgesamt einen weit gefassten zeitlichen Rahmen von gut tausend Jahren beleuchtet. Ergänzt wird die Publikation durch ein erhellendes Interview mit dem Komponisten Michael Petermann.

 

Anna Symanczyk und Daniela Wagner gehen in ihren einleitenden Worten als zentralem Leitgedanken für die vorliegende Publikation davon aus, dass „Klänge ein beständiges In-Kontakt-Treten von Klingendem und Hörendem erzeugen [,] sich zwischen Sender und Empfänger [befinden,] diese im flüchtigen Moment der Wahrnehmung [verbinden] und auch für länger, wenn das wahrgenommene in Erinnerung verbliebe“ (S. 10). Entgegen der klaren Darstellung des Feldes ‚Kontakte‘ bleibt die Annäherung an den Begriff ‚Klang‘ oberflächlicher, wie es kennzeichnend für Autor_innen aus dem Bereich der Sound Studies erscheint (Danke an Claudia Bullerjahn für diesen Hinweis).

 

Charakteristisch für diesen Sammelband ist die starke, fast ausschließliche Textzentriertheit. Bei einem Thema wie ‚Klang − Kontake‘ könnte eine Auseinandersetzung mit dem Klang selbst und dessen Beschaffenheit als eine Primärquelle des Forschungsinteresses angenommen werden. Demgegenüber entscheiden sich die Autor_innen der vorliegenden Publikation in ihren wissenschaftlichen Ausführungen mehrheitlich jedoch für einen unmittelbaren Zugang zu ‚Klang‘ über Verschriftlichungen oder Verbildlichungen als kulturelle Artefakte, sodass weniger die Konstruktion als mehr der vermittelnde und transmediale Aspekt im Vordergrund stehen.

 

Aus wissenschaftsmethodologischer Perspektive sind die Aufsätze von Judith Willkomm (S. 35-56) und Jochen Bonz (S. 205-219) interessant und gesondert hervorzuheben. Willkomm betont das Hören als vernachlässigten Sinn in wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen, besonders gegenüber der Dominanz des Visuellen (vgl. S. 35), und plädiert für die stärkere Erforschung des „skilled listening“ (S. 49). Sie versteht hierunter die Schulung des Gehörs für das Verständnis von Wissenschaftspraxis, etwa hinsichtlich „Feedback“ zu korrekten Prozessabläufen (bspw. von Gerätschaften; vgl. S. 39-40), als „Erkenntnismittel“ (Hören als diagnostisches Mittel, wie z.B. in der Medizin, vgl. S. 41-42) oder für die hörende Beobachtung von Forschungsobjekten im Feld bzw. durch Tonaufzeichnungen (vgl. S. 41-48).

 

Bonz wiederum befasst sich in Bezug auf qualitative, ethnografische Forschung mit der Deutung von durch teilnehmende Beobachtung gewonnenen akustischen Daten, die mittels Transkription in das Medium des Textes transformiert wurden (vgl. S. 205 ff.). Erst durch eine Entzerrung der Daten, beispielsweise durch die erprobte Methode der assoziativen Gruppeninterpretation, ist es möglich, „das Moment der Differenz zwischen dem Forscher und den Subjekten des Feldes“ (S. 216) sowie „die Beziehung zwischen forschendem Subjekt und Feld“ (ebd.) zu ergründen.

 

Der oben angesprochene, weite Rahmen dieses Sammelbandes kann als Stärke wie auch als Schwäche ausgelegt werden: Eine Profilschärfung und damit Stärkung des roten Fadens hätte durch eine Sortierung der Beiträge im Inhaltverzeichnis erreicht werden können, da immerhin fünf Beiträge musikalische Sachverhalte zum Gegenstand haben und die restlichen Aufsätze sich auf den spezifischen Klang von Objekten oder kulturellen Räumen sowie auf wissenschaftliche Methodik in Bezug auf Klang beziehen. Abstracts und Verschlagwortungen der Einzelbeiträge im Band wären eine gute Möglichkeit gewesen, die Lektüre übersichtlicher zu gestalten und darüber hinaus auch für deren Sichtbarkeit in Datenbanken und Suchmaschinen zu sorgen.

 

In einer Vielzahl der Aufsätze ist die Material- oder Stichprobenauswahl nur teilweise Thema. Dies erleichtert aus meiner Sicht nicht unbedingt die intersubjektive Nachvollziehbarkeit und hebt für Leser_innen den Prozess- bzw. work-in-progress-Charakter der Aufsätze hervor. Darüber hinaus ist zugleich eine Fokussierung auf eine sehr begrenzte Auswahl an Untersuchungsobjekten und -texten in diesen kennzeichnend. Dies mag im Sinne von hypothesengenerierenden Einzelfallstudien durchaus sinnvoll erscheinen, für die teilweise versuchten übergreifenden Theoriebildungen ist noch weiterführende Forschung notwendig.

 

Obwohl in der Einleitung von interdisziplinärer Ausrichtung des Symposiums und der Publikation gesprochen wird (S. 10), handelt es sich in der gängigen Terminologie von Döring und Bortz (Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin u.a. 2016, S. 13-14) eher um eine multidisziplinäre Publikation, die genauer als solche ausgewiesen werden könnte. Der vorliegende Sammelband knüpft nur teilweise an etablierte internationale (musik-)psychologische und (psycho-)akustische Forschung an. Interessierte an disziplinspezifischen Problemstellungen sollten diesen Band mit seinem Angebot an Gedankenanregungen für zukünftige Forschung konsultieren, da er die vorwiegend naturwissenschaftlich-quantitative Forschung komplementiert. Besonders in Bezug auf Vermittlung oder Transformation von Klängen oder Gesang in andere Medien sind hier wertvolle Ansätze zu finden.

 

 

English Abstract

More than a Sonic Wave: Sound as/and Cultural Communication

Klang – Kontakte. Kommunikation, Konstruktion und Kultur von Klängen (Isa-Lohmann-Siems publication series, Vol. 9) is a multidisciplinary publication edited by Anna Symanczyk, Daniela Wagner, und Miriam Wendling. 13 contributions differing in methodological, historical, and content-related perspectives aim at understanding and exploring mediating aspects of sound in cultural communication processes. Within this context, it is especially transformation into and representation of sounds in language, text, and images that are key subjects of research in this volume. As a humanities-based anthology, this volume supplements the research field of sound studies, which is relatively young compared to the fields of the psychology of music and psycho-acoustics, and offers discipline-specific impulses.

 

 

Copyright 2017, FLORIAN HANTSCHEL. Licensed to the public under Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0).