Geleitwort zur Jubiläumsausgabe
Janine Hauthal (Janine.Hauthal@vub.ac.be)
Vrije Universiteit Brussel
Die Gründungsgeschichte von KULT_online beginnt zwar nicht in einer Garage im Silicon Valley, aber – ähnlich bescheiden – in einem Büro gleich neben der Cafeteria in Gebäude B des Philosophikum I, wo im Jahr 2001 die Geschäftsstelle des gerade neu gegründeten Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften (GGK) eingerichtet wurde. Lange Programmier-Nächte mit Justin Salisbury und Guy Simonov, den GGK-IT-Spezialisten der ersten Stunde, und intensive Diskussionen über die Gestaltung der Benutzeroberfläche, das Einbinden von Bildern, Möglichkeiten der Verschlagwortung und vieles mehr gingen der ersten Ausgabe voraus, die schließlich im Jahr 2003 vom Rechenzentrum der JLU freigeschaltet wurde.
Der Antrieb für die Gründung des Rezensionsmagazins war die Überzeugung, dass das Schreiben von Rezensionen aus verschiedenen Gründen einen idealen Einstieg in das wissenschaftliche Publizieren bietet. Rezensionen sind kurz und daher ein überschaubares Projekt, mit dem sich das eigene Zeit- und Projektmanagement vortrefflich trainieren lässt. Sie unterstützen den Erwerb wissenschaftlicher Schreibkompetenzen, die insbesondere für das Verfassen von Forschungsberichten nützlich sind (die ja ähnliche Kompetenzen in der Analyse und Synthese von Fachliteratur voraussetzen). Die Rezensionstätigkeit kann außerdem dabei helfen, ein Verständnis für Qualitätskriterien wissenschaftlicher Arbeit zu entwickeln. Die Buchbesprechung ist ein unverzichtbarer Bestandteil des wissenschaftlichen Diskurses, da sie das Fachpublikum auf neue Forschungsarbeiten hinweist und den Autor_innen wertvolles Feedback zur eigenen Arbeit gibt. Nicht zuletzt ermöglichen Rezensionen deshalb auch die individuelle wissenschaftliche Profilierung und die Pflege wissenschaftlicher Kontakte und Netzwerke – sie bringen die Mitglieder der scientific community miteinander ins Gespräch. Durch die enge Einbindung des Rezensionsmagazins in die Arbeit des Graduiertenzentrums profitieren Rezensent_innen von KULT_online zudem von einem vielfältigen Unterstützungsangebot, das von der Bereitstellung eines Style Guide, verschiedener Beispielrezensionen sowie einer Liste mit aktuellen Rezensionsvorschlägen über regelmäßige Rezensionsworkshops bis hin zum detaillierten Feedback der Redaktion (ggf. in Rücksprache mit dem interdisziplinären Beirat) reicht.
Der Erfolg des Gießener Rezensionsmagazins lässt sich an einer Reihe beeindruckender Zahlen ablesen. Seit 2003 bietet KULT_online mit zwei Ausgaben pro Semester eine ebenso kontinuierliche wie vielstimmige Orientierung auf dem kulturwissenschaftlichen Buchmarkt. Insgesamt erschienen in KULT_online in den vergangenen 14 Jahren 634 Rezensionen. In 50 Ausgaben wurden damit fast 650 relevante kulturwissenschaftliche Neuerscheinungen besprochen. Seit 2009 wurden darüber hinaus 63 Tagungsberichte in KULT_online veröffentlicht. Über die Jahre hinweg waren somit über 400 Autor_innen für das Magazin tätig. In ihrer Gesamtheit zeugen die Rezensionen und Tagungsberichte von Entwicklungsprozessen der Kulturwissenschaften – in und über Deutschland hinaus sowie über einen Zeitraum von fast 15 Jahren.
Die Entwicklung von KULT_online verläuft parallel zu der des GGK und ist eng verbunden mit der Erfolgsgeschichte des International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC), das seit 2006 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird. Zugleich ist KULT_online auch eine Geschichte des individuellen Engagements verschiedener Herausgeber-Teams (Roy Sommer, Janine Hauthal, Kristina Köhler, Mirjam Bitter und Marcel Wrzesinski, jeweils zusammen mit Ansgar Nünning) sowie der erfolgreichen interdisziplinären Zusammenarbeit. Das Rezensionsmagazin erfuhr von Beginn an viel Unterstützung von den Professor_innen der am GGK/GCSC beteiligten Fachbereiche, von denen einige seit der Gründung im Beirat von KULT_online aktiv sind und die Redaktion bei Fachfragen beraten.
Denkt man an dieser Stelle weiter, dann wird deutlich, dass KULT_online mindestens zwei zentrale Eigenschaften kulturwissenschaftlicher Forschung auf exemplarische Weise verkörpert:
1. KULT_online ist interdisziplinär.
Nicht nur der Beirat des Rezensionsmagazins weist eine große fachliche Bandbreite auf (Anglistik, Germanistik, Romanistik, Slavistik, Politik-, Sozial-, Theater- und Geschichtswissenschaft), sondern auch das Spektrum der besprochenen Bände spiegelt die Vielfalt der Forschungsinteressen der Rezensent_innen wider, die in den Sozial-, Geschichts-, Literatur-, Sprach-, Theater- und Kulturwissenschaften promovieren oder habilitieren.
2. KULT_online ist international.
Der internationale Charakter von KULT_online zeigt sich zum einen in den zahlreichen Herkunftsländern seiner Beiträger_innen. Zum anderen steigt die Zahl der englischsprachigen Rezensionen, so dass KULT_online den wissenschaftlichen Dialog über Sprachgrenzen hinweg fördert. Zu den besprochenen Bänden zählen auch Publikationen ausländischer Verlage, was auf die internationale Sichtbarkeit des Magazins hinweist.
Bei der Entwicklung von KULT zu KULT mit neuem Schriftzug und Logo wurden im Laufe der Jahre Prozesse beständig optimiert und technisch verbessert; zum 50. Jubiläum steht nun ein weiterer wichtiger Schritt an. Mit der 50. Ausgabe zieht KULT_online auf Open Access um und arbeitet mit Creative Commons Lizenzen. Zwar waren Rezensionen in KULT_online von Beginn an online zugänglich, und die Verlinkung mit dem ‚e-Portfolio’ der Rezesent_innen förderte Transparenz und Interaktivität. Mit der Umstellung auf Open Access bekennt sich das Rezensionsmagazin jedoch explizit „zum offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ im Sinne der von allen großen wissenschaftspolitischen Akteuren in Deutschland unterzeichneten Berliner Erklärung (2003). Im Einklang mit der Maxime des EU-Forschungsrahmenprogramms, den schnellen und kostenfreien Zugriff auf wissenschaftliche Informationen zu gewährleisten, wird KULT_online als Open Access Magazin auch in Zukunft maßgeblich zur Intensivierung des wissenschaftlichen Austauschs, zur besseren Sichtbarkeit von Forschungsergebnissen sowie zur Sicherung und Steigerung wissenschaftlicher Qualität beitragen.
Ich gratuliere allen am Rezensionsmagazin Beteiligten herzlich zur 50. Ausgabe und wünsche KULT_online noch viele fruchtbare Jahre digitaler Existenz. Onward!
Copyright 2017, JANINE HAUTHAL. Licensed to the public under Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0).